Durch die Messestadt Leipzig zieht sich eine Spur ideologischer und technokratischer Ignoranz gegenüber der Geschichte. Die barbarischen Abrißaktionen der 60er Jahre, unter denen die Sprengung der völlig intakten Universitätskirche und des teilruinösen Universitätskomplexes die bekanntesten, aber beileibe nicht die einzigen Schändungen des Leipziger Stadtkörpers waren, sind einzigartig in der DDR-Geschichte und wohl nur noch mit den Abrißaktionen in Magdeburg und in Dresden vergleichbar.
St. Pauli (Universitätskirche) | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: als Klosterkirche St. Pauli des Leipziger Dominikanerordens 1231 gegründet, einschiffiger Chor und dreischiffiges Langhaus, 1240 Weihe, bis ins 18. Jh. mehrere An- und Umbauten im Stil der Gotik, Renaissance und des Barock, 1539 Säkularisierung, 1543 der Universität Leipzig übereignet, 1545 Weihe durch Martin Luther, Gottesdienstraum und Aula für Festakte, 1897 neogotische Schaufassade, im Zweiten Weltkrieg 1943 nur leichte Schäden DDR-Zeit: Beginn der 60er Jahre Beschluß zum Abbruch des alten Universitäts-komplexes, im Januar 1968 Architektenwettbewerb, Kompromißentwurf von Dresdner Büro und Herrmann Henselmann, Sprengung am 30. Mai 1968 um 9:58 Uhr auf Beschluß der SED-geführten Stadtverwaltung und der Universität |
St. Trinitatiskirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: erster katholischer Kirchenneubau in Leipzig seit der Reformation(Römisch-Katholische Propsteikirche zur Heiligen Dreifaltigkeit), am 2. Juli 1845 Baubeginn, Architekt Heideloff aus Nürnberg, Weihe am 19. September 1847, erstes neogotisches Kirchengebäude der Stadt, am 4. Dezember 1943 durch Brand- und Sprengbomben beschädigt, Turm völlig intakt, Schiff ohne Dach DDR-Zeit: wegen Bevölkerungszunahme aus den deutschen Ostgebieten Planung eines größeren Neubaus, Sprengung der teilzerstörten Kirche im November/Dezember 1954, Aushebung einer Baugrube, 1955 Zurückziehen der Baugenehmigung, Grundsteinlegung am Dreifaltigkeitssonntag 1955 abgesagt, in der Folge Verwahrlosung des Platzes und schließlich Begrünung |
Markuskirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: evangelischer Sakralbau im Leipziger Stadtteil Reudnitzhttp://de.wikipedia.org/wiki/Reudnitz_%28Leipzig%29, anstelle einer kleinen Kapelle von 1568 errichtet, Pläne von Möckel, Grundsteinlegung am 11. Mai 1882, Richtfest sieben Monate später, am 23. März 1884 Weihe, seit dem 25. März 1889 Namensgebung zu Ehren des Evangelisten Markus, am 3. Dezember 1943 Zerstörung der Fenster, ansonsten keine weiteren Schäden DDR-Zeit: 1953 Erneuerung des Kircheninneren, 1954 neue Eule-Orgel eingebaut, 1957 neue Schilling-Glocken aus Apolda, Verschlechterung des äußeren Zustandes des Gotteshauses, Generalreparatur aus Kostengründen abgelehnt, 1973 Schließung der Kirche, 1974 Bergung der Innenausstattung, am 25. Februar 1978 Sprengung des Kirchenschiffs und am 4. März 1978 des Turms |
Johanniskirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: als Kirche St. Johannis im 14. Jh. in der Leipziger Ostvorstadt erbaut, 1547 teilweise zerstört und abgebrochen, 1582-84 neu erbaut, erst 1746-1749 barocker Kirchturm hinzugefügt, 1813 während der Völkerschlacht als Lazarett genutzt, 1894-97 Abbruch der zu klein gewordenen Kirche bis auf den barocken Turm, nach Plänen von Hugo Licht Schiff neobarock wieder aufgebaut, Gebeine J.S. Bachs und Christian Gellerts 1894 gefunden und vor dem Altar beigesetzt, im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt DDR-Zeit: Kirchenschiff am 19. Februar 1949, Kirchturm am 9. Mai 1963 gesprengt, Gebeine Bachs zuvor in die Thomaskirche, die Gebeine Gellerts in die Paulinerkirche überführt |
Matthäikirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: auch Franziskanerkirche zum Heiligen Geist, Barfüßerkirche und Neukirche genannt, Lage in der Innenstadt am heutigen Matthäikirchhof, nach 1230 Klostergründung, zunächst einfache Saalkirche, Ende des 13. Jh. Erweiterung mit Nordschiff, Propsteigebäuden und Mönchschor, ab 1476 Errichtung einer neuen Klausur, spätgotische Umgestaltung, 1488 Neubau einer zweischiffigen Hallenkirche mit Sterngewölben, letzte Altarweihe 1504, 1539 Aufhebung des Klosters durch Reformation, 1543 Beräumung, 1699 Neuweihe als Neukirche, barocker Umbau, ab 1806 Lager und ab 1813 Lazarett, 1876 Gründung der Matthäigemeinde, Kirchenschiff am 4. Dezember 1943 ausgebrannt DDR-Zeit: 1. August 1948 letzter Gottesdienst, danach Abbruch |
Andreaskirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: Pfarrkirche der Südvorstadt, 1891-93 nach Plänen von Weidenbach und Tschammer errichtet, Ost-West-Ausrichtung, neogotischer Ziegelbau, Grundriss auf lateinischem Kreuz, dreijochiges Langhaus, breites Querschiff, 3/6-Chorschluss, Platz für 1100 Menschen, querrechteckiger Westturm flankiert von zwei Treppentürmchen, sehr spitzer und steiler Turmhelm mit vier Schmuckgiebeln, städtebauliche Dominante der Südvorstadt, am 4. Dezember 1943 und am 20. Februar 1944 bei Luftangriffen stark beschädigt DDR-Zeit: ab 1949 Gottesdienste im Saal des Gemeindehauses, Wiederherrichtung des Turmgeschosses, im September 1958 Sprengung der gesamten Ruine, Abtragung der Trümmer, Anlage einer Grünanlage |
Anglikanische Kirche | ||
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Originalzustand | Vor der Sprengung | Geschichte: auch All Saints (Allerheiligen) genannt, Erbauung der Kirche zwischen 1884 und 1885 auf Grundriss eines lateinischen Kreuzes, Pläne von Architekt Oscar Mothes, ursprünglich vorgesehener Turm wurde nicht gebaut, Einstellung der Gottesdienste zu Beginn des Ersten Weltkrieges, da Engländer die Stadt verließen, Übernahme und Nutzung dann durch die Pfingstgemeinde, Zerstörung am 4. Dezember 1943 DDR-Zeit: Abriss der Ruine nach Kriegsende |